Nachricht aus der Liederszene

11. 12. 2023 Der Pionier

Oft stand Thomas "Tom" Schroeder mit am Beginn - 1938 im damals schlesischen Grünberg geboren und ab 1959 Student der Geschichte, Philosophie und evangelischen Theologie in Mainz, war Schroeder Chefredakteur der Studierendenzeitung und gründete mit Martin Degenhardt (dem Bruder von "Väterchen Franz") sowie Reinhardt Hippen (später auch Gründer des Deutschen Kabarett-Archivs) die Zeitschrift "Song". Schroeder war 1968 Mitveranstalter der "Songtage" in Essen sowie des legendären Festivals auf der Burg Waldeck im Jahr darauf. Wieder sechs Jahre später gehörte er zu den Initiatoren des bis heute sehr wichtigen, weil stil-übergreifenden Festivals "Open Ohr" im heimatlichen Mainz, 1981 kam das Blues-Festival in Lahnstein hinzu. Feste Basis für alles war die Mitarbeit als Redakteur und Produzent beim heutigen Südwestrundfunk im Mainzer Landesstudio Rheinland-Pfalz.

Von Beginn an gehörte Schroeder auch zum festen Jury-Kern der 1983 gegründeten "Liederbestenliste" - und immer haben die Mitstreiterinnen und Mitstreiter in unserem kleinen Kreis Tom Schroeders umfassende historische und künstlerische Kompetenz erfahren und genossen in den regelmäßigen Jahrestreffen. Selbstverständlich war er auch immer wieder zur Mitarbeit bereit, wenn der Nachwuchs zu sichten und zu fördern war in dieser stets so gefährdeten Szene. Zeitweilig war er auf Krücken unterwegs in vorpandemischen Zeiten, als es noch das "Liederfest" im Mainzer "unterhaus" gab und am Morgen danach die Versammlung der Jurorinnen und Juroren - wenn er da nicht (oder noch nicht) da war, hat die Runde sich nicht komplett gefühlt.

Jetzt kommt ein großes Wort - Tom Schroeder war (nach dem frühen Tod von Gerd Schattner, dem Initiator der "Liederbestenliste") so etwas wie die Seele vom Verein; wann immer er sich zu Wort meldete, war die seit Mitte der 60er Jahre gesammelte Erfahrung zu spüren; mit großer Kraft und Kompetenz hat Schroeder die haltbaren und verbindlichen Ziele unserer kleinen Institution mitformuliert. Ähnlich unverzichtbar war er auch in den Jury-Gruppen für den Preis der Deutschen Schallplattenkritik.

Weil das so war und praktisch bis zum Schluss so blieb, auch im gemeinsamen Leiden an den massiven Tendenzen zur Kulturvernichtung in diesem Land, gerade im Radio, "seinem" Medium, haben wir ihm gern zugehört. Weil dieser raumgreifende, intensive und immer so baumstark wirkende Mensch aus Mainz beharrlich festhielt an den künstlerischen Grundsätzen und politischen Maximen der Zeit, aus der er kam und mit der er gewachsen war, war sein Rat immer wertvoll und willkommen.

Tatsächlich haben wir (und hat die Lieder-Szene) einen ihrer Pioniere verloren.
 
Michael Laages

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