Persönliche Empfehlung Album

Reihum gibt eine/r der JurorInnen in dieser Rubrik ihre/seine persönliche Empfehlung für ein Album ab und begründet diese schriftlich.

DEZ 2020  Michael Lohse, Köln

Fred Ape: Bedingungslos.

So kann es gehen: Vor ein paar Wochen erst kam mit der Post das Päckchen mit Exemplaren von Freds neuer CD in der Redaktion an. Für jeden Kollegen hatte er eine handschriftliche Widmung auf das Cover geschrieben. Und jetzt folgte die unfassbare Nachricht von seinem Tod. So konnte ich ihm nicht mehr persönlich sagen, wie großartig ich sein neues – letztes – Album finde. Und so wird diese Empfehlung nun zu einem Nachruf auf Fred Ape. „Bedingungslos“ ist das dreißigste Album in seiner langen Karriere, die Anfang der 70er Jahre begann, als er mit seiner Band „Ape, Beck und Brinkmann“ weit über seine Heimatstadt Dortmund hinaus zu einem Sprachrohr der Umweltbewegung avancierte.  

Die CD war sicher nicht als Abschiedswerk geplant, aber sie ist ein starkes Vermächtnis. In klaren Statements bekennt sich Fred darauf zu seinen Idealen. Zugleich lässt er immer wieder seinen Charme, seine Selbstironie und seinen Witz aufblitzen. Vor allem transportiert das Album seinen unverwüstlichen Lebensmut. Schon im Titelsong bringt er seine durch und durch positive Grundhaltung zum Ausdruck: „Lieben und leben, fühlen und geben / Frei ist der Mensch erst wirklich groß / Bedingungslos“. Und diesem Weg folgt er auch dann, wenn er dafür von anderen belächelt wird: „Mutig wie ein Don Quichotte und weise wie ein Narr / Kämpfst du mit Wind und Mühlen“ heißt es in einem anderen Lied.  

Fred folgte stets einem klassischen Verständnis des Liedermachens, ganz in der Tradition seiner Vorbilder Reinhard Mey, Hannes Wader, Wolf Biermann und Georg Danzer. Damit schien er zwischenzeitlich etwas den Anschluss an den Zeitgeist verloren zu haben. Doch das sollte sich spätestens 2015 gründlich ändern. Erst die Flüchtlinge, dann Fridays for Future – plötzlich stehen seine Themen wieder ganz oben auf der Agenda und seine Kreativität ist nicht mehr zu bremsen. Im Jahresrhythmus veröffentlicht er neue CDs. Sein Freund und langjähriger musikalischer Partner Guntmar Feuerstein erzählt, bei der Arbeit am letzten Album hätten sie schon gewitzelt: das sei ja wie bei einem alten Baum, der vor kurz vorm Sterben noch mal so richtig ausschlägt. Eine Vorahnung? Vieles auf seinem letzten Album hört man nachträglich mit anderen Ohren. Etwa den Song „Als ich hundert war“, in dem Fred sich ausmalt, wie er als Hundertjähriger auf das Jahr 2020 zurückblickt, das sich als Anfang vom Ende erweisen sollte, auf das „Jahrzehnte der Hitze, der Stürme, der Flut“ folgen sollten. Einen Albtraum beschreibt das Lied und endet mit den Worten: „Mit dem Traum werde ich mal zu meinem Hausarzt gehn. Und ob ich wirklich hundert werde, mal sehn…“

Ob bewusst oder nicht – „Bedingungslos“ wirkt inhaltlich und musikalisch wie ein Fazit von Fred Apes Schaffen, nur noch klarer und konsequenter als sonst – bedingungsloser eben. Die Verarbeitung der Corona-Krise ist dabei ein großes Thema. Einen weiteren Schwerpunkt bildet die globale Migration. In „Flüchtling der Erde“ besingt Fred Ape auf die Melodie von „Universal soldier“ eindringlich das Schicksal der „Verlorenen im Kampf um Macht und Geld“. Und auch seinen kraftvollen Appell „Du hast nur Glück gehabt“, der schon im vergangenen Jahr auf einer EP erschienen war, hat er noch einmal neu aufgenommen, was zeigt, wie sehr ihm dieser Song mit seiner moralischen Zuspitzung am Herzen lag: „Du hast nur Glück gehabt, dass du hier geboren bist. (…) Du musst nicht über Meere fliehn, dein Kind im Arm.“  

Doch „Bedingungslos“ zeigt Fred Ape nicht nur als Kämpfer für eine bessere Welt, sondern vor allem als Mensch. Ein Mensch, der sich „nie zu alt“ fühlte für eine Liebeserklärung, ein Mensch, der Geselligkeit liebte und sentimental werden konnte – so findet sich auf dem Album neben Protestsongs auch ein Plätzchen für die Neuinterpretation des niederländischen Klassikers „Het kleine café aan de haven“.  Und nicht zu vergessen: ein Mensch, der Sport liebte und selbst bis vor wenigen Jahren in der Kreisliga im Tor stand. So handelt der letzte Song des letzten Albums von Fred Ape nicht von ihm selbst, sondern von „Manni“, seinem BVB-Idol Manfred Burgsmüller – und Ruhrpottkind wie er selbst.  


Mehr Informationen:  
http://www.fred-ape.de

NOV 2020  Nikola Pfarr, Berlin

Pam Pam Ida: FREI

„Das Beste der 80er, 90er und von heute“ – bei diesem Versprechen unzähliger Radiosender ist die Enttäuschung vorprogrammiert, wird es doch nahezu immer schamlos gebrochen (Ergebnis langjähriger, selbst-durchgeführter Studien). Denn statt Falco, den Backstreet Boys und International Music besteht die Rotation aus, nun ja, anderen Interpreten.  

Pam Pam Ida sind eine der wenigen Ausnahmen, die diese Zuschreibung endlich positiv besetzen könnten. Das oberbayerische Sextett um Sänger Andreas Eckert vereint nämlich alpine Lässigkeit mit gleichermaßen eingehenden wie überraschenden Melodien und einer ganz eigenen Poesie. Dabei legen Pam Pam Ida eine stilistische und textliche Bandbreite an den Tag, für die selbst die eingangs bemühte Phrase kaum ausreicht. Eine weitere Besonderheit ist der ausschließlich bayerische Gesang, was allerdings gar nichts mit Heimat-Horsts patriotischer Mia-san-mia-Mentalität gemein hat. Nördlich des Weißwurstäquators kann das Textverständnis deshalb durchaus eine Herausforderung sein, aber genaues Hinhören lohnt sich allemal.  

Die Band hält auch in diesem für die Kulturbranche so herausforderndem Jahr an ihrer fanfreundlichen Output-Frequenz fest: Das soeben erschienene „FREI“ ist das dritte Album nach dem Erstlingswerk „Optimist“ (2017) und dem erst im vergangenen Jahr erschienenen „Sauber“.  

Schnell wird den geneigten Hörer*innen klar, dass eine gewisse Unberechenbarkeit so ziemlich das Einzige ist, worauf man sich bei „FREI“ verlassen kann. Gleich beim allerersten Anspielen wird man unmittelbar ins Geschehen gestürzt: Das erste Lied „Auf da Flucht“ startet mit einem energetischen Synthesizer-Intro, dem nach einer Minute die Ankündigung „Mach dich schon mal g’fasst auf a lange Nacht“ folgt. Allen, die jetzt auf eine reine Party-Platte hoffen, schlagen Pam Pam Ida umgehend ein Schnippchen, denn der Synthesizer wird auf „Andrer Stern“ gegen Streicher getauscht, was auch die erste Single-Auskopplung des Albums ist. Leise Töne werden auch immer wieder angeschlagen, so zum Beispiel bei „Die Nacht“ – eine so zarte wie ernsthafte Singer-Songwriter-Ballade.  Fröhlichen Upbeat-Optimismus mit folkiger Flötenbegleitung versprüht hingegen „Hoaßa Droht“. Aber die Band kann noch mehr und beweist lässigen Indie-Groove bei „No ned soweit“. Die Fühler werden sogar in Richtung Rap ausgestreckt auf „Ma wead seng“ (gemeinsam mit BBou). Bei den zwölf Stücken wird also ordentlich aufgefahren, bevor man sich mit dem bezeichnenden letzten Titel „I muaß geh“ verabschiedet.  

Pam Pam Ida nutzen aber nicht nur musikalisch, sondern auch textlich das ganze Spektrum aus. Auf „FREI“ sind die Lyrics mal lustig, mal ernst, manchmal eindeutig, aber auch genauso oft kryptisch. Untermalt wird das Ganze vom facettenreichen Gesang Eckerts, der den Inhalt und das Arrangement mit einer eigenen Intensität kongenial verbindet.  

Die Frage, was frei bzw. Freisein bedeutet, führt schnell in philosophische und kontroverse Diskussionen, an der sich die Menschheit – zurecht – seit Jahrtausenden abarbeitet. Die bayerischen Astronauten vom anderen Stern geben hierauf zwar auch keine direkte Antwort, aber stellen zumindest eine musikalische Freiheit und Vielseitigkeit unter Beweis, die hierzulande ihresgleichen sucht.  


Mehr Informationen:  
https://www.pampamida.de/

OKT 2020  Michael Laages, Hannover

Wenzel & Samtblech: Wenn die Reisigfeuer brennen

Die fünfte Stimme  

Stammgast in den Rubriken der „Liederbestenliste“ ist Hans-Eckardt Wenzel seit sehr langer Zeit; mit ihm wuchs der nach dem Mauerfall gesamtdeutschen Lied-Szene eine der herausragenden Stimmen und eines der (neben Gerhard Gundermann) wichtigsten Profile zu. Die Erinnerung ist noch sehr frisch an die ersten Begegnungen mit Wenzels Art zu singen und zu spielen im rabiaten Umbruch nach 1989; mit Steffen Mensching war „Letztes aus der DaDaEr“ damals eine Art von Lieder-Theater, wie es die Szene/West nicht kannte. Auch darum ist Wenzels aktuelle Arbeit so besonders – weil er auch jetzt wieder eine Form jenseits jeder Routine gewählt hat.  

Für „Wenn die Reisigfeuer brennen“ hat er nämlich die eigene Stimme mit dem Zauberklang des Blechbläser-Ensembles des Berliner Rundfunk-Sinfonie-Orchester grundiert; das heißt: Simone Gruppe am Flügelhorn und Anne Mentzen am Horn, Georg Schwark an der Tuba und Hannes Hölzl am Euphonium kreieren einen selbst für vertraute Bläser-Gruppen einzigartigen Klang. Wer sich mit Instrumenten ein bisschen auskennt, bemerkt sofort: Posaune und Trompete fehlen. Denn hier soll nichts „strahlen“, hier darf es durchweg ein bisschen dunkler, ja düster zugehen, wenn die Stimmen der Instrumente sich miteinander verstricken. Und Arrangeur Hermann Anders hat obendrein eine Menge Stile herbei zitiert; viel Nachbarschaft zum Jazz herrscht vor, aber Echos gibt’s auch vom mittelalterlich angehauchten Trinklied, aus New Orleans oder vom argentinischen (oder finnischen) Tango. Dieses Instrumental-Quartett ist schlicht sensationell.  

Und der kluge Wenzel weiß das ganz genau – zurück hält er sich darum, sucht nie den Vordergrund oder auch nur den Mittelpunkt; Wenzels Lieder sind einfach die fünfte Stimme zum Quartett. Wie immer sind sie recht an Poesie, spiegeln Ich- und Du-Figuren an Natur- und Liebeslied-Metaphern, reizen die Meisterschaft in Reim und Metrum aus, die den ehedem auch sehr politischen Liedermacher Wenzel zum genauen Beobachter eigener und fremder Lebenswelten werden lassen. Kein Wort, keine Zeile ist hier zu viel – und die Aufnahmen in Thommy Krawallos Studio mitten im Oderbruch-Dorf Golzow stärken die gerade, unverhallte Einfachheit aller fünf Stimmen.  

Während derzeit gleich mehrere Theaterhäuser die mittlerweile 30 Jahre währende deutsche Nicht-Einheit mit Erinnerungen an Wenzels großen Kollegen Gundermann beschwören, wären Wenzel-Konzerte (wie gerade am Neuen Theater in Halle) mindestens genau so wünschenswert – mit eigener Band oder eben der musikalischen Zauberkunst des „Samtblech“-Ensembles.  

Mehr Informationen:  
https://wenzel-im-netz.de

SEPT 2020  Hans Jacobshagen, Köln

Hubert von Goisern - Zeiten & Zeichen

Hubert von Goisern schickt uns auf die Reise in unterschiedliche Klangwelten, er erinnert an die Grausamkeiten der jüngeren deutsch-österreichischen Geschichte, deren Auferstehung in abgewandelter Form heute wieder droht, er erzählt mit Goethe von rastloser Liebe und besucht einen Tanzkurs, aber zu Elektropop will er nicht tanzen. Er entführt uns in der „Tierischen Polka“ dahin, „wo die Meere liegen, wo sich Buckelwale lieben“ und schildert die Probleme des letzten Grönlandhais, der von einer Haifisch-Kinderschar träumt. „Zeichen und Zeiten“ heißt das Album und es versammelt unterschiedlichste Musikstile mit unterschiedlichsten Inhalten eines präzisen Beobachters seiner Welt.

In der Ouvertüre „Freunde, das Leben ist lebenswert“ erzählt Hubert von Goisern die Geschichte von der Freundschaft zwischen Fritz den Löhner-Beda und Franz Lehar, die gemeinsam Operetten schufen. Löhner-Beda war Jude und wurde alsbald von den Nazis im KZ umgebracht, Lehar brachte nicht den Mut auf, sich für seinen Freund einzusetzen, obwohl er mit Goebbels und Hitler persönlich bekannt war. Goisern: „Aber es werfe den ersten Stein die oder der ohne Schwächen...“ Hubert von Goisern garniert seine Erzählung mit musikalischen und textlichen Zitaten der beiden Protagonisten – eindrucksvoll und erschütternd. Im nächsten Song werden wir in die Gegenwart geholt. Was haben wir aus der Geschichte gelernt, wohin werden wir rennen am letzten Tag? „Koana woaß wann wieder oana durchdrah´t.“ Im nächsten Song „Brauner Reiter“ begibt sich Hubert von Goisern in die Klangwelten von Rammstein oder Joachim Witt, um vor den „Zeichen an den Wänden“ zu warnen. 

Danach wird es auf dem Album aber Zeit für versöhnlichere Stücke: „Manchmal verbirgt sich mir die Zeit/Und es scheint grad als stünd die Welt/für ein paar Augenblicke still/Grad so als ob ein Pulsschlag fehlt.“ Das erinnert mich dann an Andre Heller. Und so geht es über einige nachdenkliche Lieder hin zu satirischen Stücken wie dem vom Eisbär, der gern veganer wäre, aber Eiweiß braucht, und einer Parodie auf Elektropop. Erwähnt sei noch ein so schöner Unfug wie „Quick, quick, slow“, der die Erlebnisse in einer Tanzschule treffend karikiert.
„Setz di her zu mir, egal wer du bist/das Kapital oder vielleicht a Kommunist/Ob du aus Hinterstoder und nur Körndln frisst/ob du der Überdrüber Erste oder/Aller-aller-allerletzte bist.“ Dazu spielt die Musik und alle feiern. Mit diesem schönen politischen Traum, der gar nicht oft genug geträumt werden kann und der daran anschließenden tierischen Polka beendet Hubert von Goisern sein Werk.

„Zeiten und Zeichen“ gibt vielfältige Anregungen zum „Nach-Denken“, ist eine wundervolle musikalische Entdeckerreise.

Lass uns mit Hubert von Goisern auf diese Reise gehen.

Weitere Informationen: www.hubertvongoisern.com

AUG 2020  Fredi Hallauer, Bern

Dabu Fantastic - Schlaf us

Dabu Fantastic, das sind Dabu Bucher und DJ Arts plus eine vierköpfige Band. Sie kommen aus dem Raum Zürich und sind schon länger unterwegs. Sie gehören zu den wichtigen aktuellen Mundartbands der Schweiz. Dabu schreibt die Songs und orientiert sich an den Berner Vorbildern, allen voran an Mani Matter, welcher in einem Lied genannt und zitiert wird. Auf dem vorliegenden Album ist ihm dies sehr gut gelungen, die Texte sind kurz und prägnant. Er mag lange Geschichten, hat sie aber dann bewusst auf das wesentliche reduziert und nur die nötigen Worte herausdestilliert. Inhaltlich haben sie sich immer schon zu gesellschaftsrelevanten Themen geäussert, aber noch nie so klar wie in Liedern auf diesem Album. Die Lieder haben auch einen gewissen Witz und sind unterhaltend dazu.

Musikalisch sind sie somit im Pop einzuordnen, oder dem Liedermacher-Pop. Der Sound ist ansprechend und modern und wird auch von einem jungen Publikum sehr geschätzt.

Das Album beginnt mit dem erfrischenden «Frisch usem Ei», einem Aufsteller und einer Wertschätzung gegenüber Allen. Bei «Lied» geht es einfach um ein Lied, welches uns wohltut, wenn wir nichts haben, verlassen wurden etc. aber ein Lied ist noch da. «Jagge» erzählt die Geschichte einer Jacke, ein weiteres Beispiel eines Liedes mit wenig Worten. Es folgt das Titellied und auch das Kernstück des Albums «Schlaf us». Hier geht es darum, dass man die Uniform und die Waffen liegen lassen soll, das Telefon zuhause lassen, den Hass im Netz lassen, nicht mit dem Feuer spielen sondern einfach im Bett bleiben und ausschlafen, aber wenn du schläfst und sie die Welt verändern wollen, Mauern bauen oder Menschen nach Farben sortieren, dann steh auf. Diese letzte Strophe singt Stephan Eicher. Es folgen weitere Lieder die sich mit dem Alltag und dem Ausbrechen aus dem Alltag befassen. «In Ornig» sagt, dass nicht immer alles in Ordnung sein muss. «Wemmer gaht» erzählt in einfachen Worten, dass wir nicht wissen was wir suchen wenn wir weggehen, die Menschen, welche irgendwo ein Schiff besteigen und zu uns kommen haben ein Ziel wo es etwas zu holen gibt, wir spazieren wie ein Tiger im Käfig herum und haben Alles was wir brauchen. Wortspiele sind immer wieder da, so wird aus «Cloud» dann «klaut». Auf diesem Album ist jedes Lied ein Treffer und so interpretiert dass es auch die Radios spielen können. «Schlaf us» ist ein gelungenes, modernes Album, welches neue Wege der Liederschmieden aufzeigt.

Mehr Informationen: https://dabufantastic.ch

JULI 2020  Dieter Kindl, Kassel

Stiller Has - Pfadfinder

Endo Anaconda ist ein Phänomen. Entweder man liebt oder hasst ihn. Dazwischen gibt es nichts. Der, von dem hier die Rede ist, ist ein großer Sprachkünstler. Und obwohl er kein Instrument spielt, ist er Mastermind der vor über drei Jahrzehnten gegründeten Band Stiller Has. 

Mit Boris Klecic (Gitarren, Mandoline, Banjo, Bass), Roman Wyss (Tasten, Posaune) und Bruno Dietrich (Schlagzeug, Perkussion, Bass, Handorgel, Ukulele, Klavier, Orgel) hat der Berner seinem Bandprojekt nun zum letztes Mal Leben eingehaucht. Gemeinsam haben sie „Pfadfinder“ – das 12. Studioalbum – aufgenommen. 

Die Texte von Endo Anaconda sprechen ihre eigene Sprache: sie sind sehr eigenständig, schräg und aufrührerisch. Die Musik, die er mit seinen Mitstreitern seit jeher dafür gefunden hat, ist denn auch eher Bühnenbild für Anacondas überragende Texte. So auch beim neuen Album, obwohl da unter Umständen manchmal weniger mehr gewesen wäre. 

Inhaltlich sind die Texte vielleicht ein wenig der Betrachtungsweise eines älter Werdenden angepasst. Vor dreissig Jahren hätte sich Endo Anaconda wohl keine Gedanken über Geranien gemacht, die ihm nicht gehören („Umgang“) oder ein Lied über schöne Momente gemacht („Schöne Momänte“), die bei näherer Betrachtung doch nicht so schön sind. Eine Erkenntnis, die man erst im Alter gewinnt. Ebenso wie folgende: „Alles was ich geliebt habe, habe ich vertrieben. Nur die Krähen sind mir geblieben“ („Chräie“). Desweiteren geht es um Finanzwelten („Flop“) oder zunehmende Digitalisierung und deren Folgen („Niemer“). Ganz eindrücklich auch der Opener „Pfadfinder“, der, angesichts des Klimawandels auffordert, neue Pfade zu gehen, weil die Probleme traditionell nicht mehr zu lösen sind. Und „Früecher“ räumt endgültig mit dem Vorurteil auf, dass früher alles besser war. Das Gegenteil war meist der Fall – mit teils verheerenden Folgen. Die letzten Zeilen daraus geben jedoch auch Anlass zur Hoffung: „Mach die Augen zu und schlaf, Träum schön. Denn heute ist nicht früher und früher ist nicht mehr hier.“ Das weckt Zuversicht. 


Mehr Informationen: www.stillerhas.ch

Liederbestenliste | Juli 2020 © Deutschsprachige Musik e.V.


JUNI 2020  Harald Justin, Wien

Ursula Strauss & Ernst Molden - Wüdnis

Wenn das, was schwer zu machen ist, eine gewisse Leichtigkeit verströmt, dann handelt es sich um große Kunst.

Der Wiener Sänger und Gitarrist Ernst Molden hat in den letzten Jahren hart an sich und seiner Kunst gearbeitet. Am Anfang stand er noch unter dem Einfluss der Gossenpoesie des frühen Tom Waits, heute gilt er als einer der eigenständigsten Lyriker des Wienerlieds und ist souverän genug, um „Asterix“ ins Wienerische zu übertragen. Als Gitarrist ist er längst Sonderklasse, ein Trip durch Louisiana hat nicht nur für viele Ketten und Ringe, sondern auch für eine bluesige Erdung seines Spiels gesorgt. Und seine Bühnenauftritte zeigen einen gereiften Künstler, der auch sein Publikum in der Hand hat. Einer von Wiens Besten.

Und die famose Schauspielerin Ursula Strauss, mit der er sich für dieses wunderbare Album zusammengetan hat, schafft es, selbst nicht ganz so guten TV-Rollen Würde und Glaubhaftigkeit zu verleihen, so dass man allein ihres Spiels wegen am TV-Gerät sitzen bleibt.

Das Ergebnis iherer Zusammenarbeit gründelt laut dem Wiener Stadtmagazin „Falter“ „ganz tief im Blues“, aber das Lob muss man natürlich ins Weanerische übersetzen, dort hin, wo in den Wein geweint wird und redselig die Nöte des kleinen Mannes (und der kleinen Frau) beschworen werden und nur die Musik Heilung verspricht. Also wahre „Wüdnis“, Wildnis, wohin man bei diesen Liedern auch hört, die allemal klingen, als wären sie hundert Jahre alt. Und so zupft Molden seine zerschundene Akustikgitarre entlang alter Folkmelodien und Strauss singt glücklicherweise wie er, ohne Glamour, ganz unangestrengt, ohne zu schauspielern.

Aber vielleicht ist das genau die Kunst dieses Duos: so zu klingen, als wäre alles ganz einfach, als würden sie ihre Lieder singen, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist. Wer den Texter und Musiker Molden und die Schauspielerin Strauss kennt, beide penibel am Ausdruck arbeitende Künstler, mag erahnen, wie viel Arbeit in der Kunst dieses Album steckt.


Mehr Informationen: 
www.ursulastrauss.atwww.ernstmolden.com 



MAI 2020  Petra Schwarz, Berlin

Die Grenzgänger - Hölderlin

Michael Zachcial „labelt“ sein Tun schlau mit dem Slogan „Musik von Welt“ und ja, als solche kann man das am 20.März 2020, dem 250. Geburtstag von Friedrich Hölderlin, erschienene Album „HÖLDERLIN“ guten Gewissens bezeichnen.

Die Grenzgänger sind natürlich nicht die Ersten, die die Lyrik des Zeitgenossen der Französischen Revolution vertont haben. Hanns Eisler vertonte seine Texte ebenso wie Paul Hindemith oder Johannes Brahms. Auch wurde sein Werk „seit dem Kaiserreich militaristisch und völkisch missbraucht.“ Darauf und auf viele interessante Details und Zusammenhänge wird im sehr ansprechend gestalteten und wieder höchst informativen booklet verwiesen. Überhaupt sind die „Einordnungen“ hier sehr wichtig - auch, weil die „bis heute modernde Sprache“ Hölderlins für mich sehr gewöhnungsbedürftig und manchmal schwer entschlüsselbar ist.

Jeder Song dieses Albums klingt anders. Auch auf diesem 11. Album der Grenzgänger, die – wie wikipedia sehr richtig schreibt – „… deutsche Volkslieder in deutlicher Abgrenzung zum volkstümlichen Lied…“ zu Gehör bringen, scheint wieder kein Musik-Stil vor ihnen „sicher“ zu sein. Kommen die ersten Töne des Albums ganz leise und „unschuldig“ daher - man wähnt sich in einer Kirche … - wird schon dieses erste, das „Schicksalslied“ mehr und mehr zu einem – zwar ruhigen – aber unendlich kraftvollen Klagelied; man meint Tom Waits hier singen zu hören. So erlebt man die Musik der 13 Songs plus Bonustrack zwischen Blues, Folkrock und Rapp, Pop und E-Musik mit Anklängen an Weill, Eisler, Motown und Jazz.

Das Quartett – Michael Zachcial (Gesang, Gitarren), Annette Rettich (Cello, Gesang), Frederic Drobnjak (Konzertgitarre, E-Gitarre, Ukulele, Gesang) und Felix Kroll (Akkordeon, Gesang) – hat sich für die CD-Produktion musikalisch grandios verstärkt; nicht zuletzt kam Thomas Felder für einen Song dazu, denn des Schwaben Hölderlin „Schwabens Mägdelein sollten auch „schwäbisch“ klingen, wie im booklet notiert.

Man braucht Zeit, um – schon von den Texten her, aber eben auch musikalisch – all das zu erfassen, was dieses Album zu bieten hat. Aber ein Ohrwurm ist auch dabei: „So kam ich unter die Deutschen“ kriegt man einfach nicht mehr aus dem Kopf. „Wurde der jemals vertont?“ schrieb mir Michael Zachcial dazu. „In Zeiten von Höcke und Gauland wurde es Zeit.“ Oh ja, dringend!

In diesen so kultur-armen und live-freien „Corona-Zeiten“ ist es besonders gut, dass die neuen Grenzgänger-Songs wenigstens auf CD und elektronisch verfügbar sind.

Mehr Informationen: www.die-grenzgänger.de

APR 2020  Katja Klüßendorf, Berlin

DOTA - Kaléko

Dota Kehr, Frontfrau der Band DOTA, singt auf »KALÉKO« erstmals keine selbstgeschriebenen Texte, sondern nimmt sich der Poesie der deutschsprachigen Dichterin Mascha Kaléko (1907-1975) musikalisch an. Emigrantin von Kind an, wurde »Zur Heimat erkor ich mir die Liebe« nicht nur eine Verszeile, sondern gelebte Maxime Kalékos. Ihre Gedichte sind voller Verspieltheit, satirischer Schärfe und Sprachwitz, doch es kommt ein Sehnen hinzu, eine zarte Zerbrechlichkeit, die einen sprachlos machen kann. Damit passt ihre Dichtkunst der Liedermacherin Dota Kehr wie angegossen. Dazu hat sich Dota einige jüngere und ältere Musikerkollegen als Duett-Partner ins Studio geholt.

„Eines Morgens wachst Du auf und bist nicht mehr am Leben. Über Nacht, wie Schnee und Frost, hat es sich begeben“, singt Dota etwa im Duett mit Francesco Wilking (Die Höchste Eisenbahn) die Zeile aus dem Gedicht »Ein Sogenannter Schoener Tod« auf eine wunderbar liebliche Melodie. Besonders anrührend ist die Vertonung von „Auf Eine Leierkastenmelodie“ über das verpasste Glück einer Liebe, welches sie zusammen mit Altmeister Hannes Wader singt. Weitere Duett-Partner sind Max Prosa, Uta Köbernick, Konstantin Wecker, Karl Die Große, Felix Meyer sowie Alin Coen, welche - mit einer noch zarteren Stimme als Dota - im Duett »Einem Kinde im Dunkeln« zur guten Nacht singt.

Dotas neues Album hat einen jazzigeren, akustischeren und um markante Akzente von Akkordeon, Tuba und Trompete bereicherten Sound. Nicht zuletzt durch Janis Göhrlich, der sich in der Underground Jazz Szene mittlerweile einen Namen als Komponist gemacht und für »KALÉKO« drei sehr atmosphärische Titel komponiert hat, welcher der Lyrik Mascha Kalékos als instrumentale Zwischenspiele dienen. Mit dem Album zeigt die Band, dass sie auch Komposition und Arrangement hervorragend beherrschen.

Mehr Informationen: www.kleingeldprinzessin.de

MÄRZ 2020  Wolfgang Rumpf, Bremen

Mackefisch - Brot und Glitzer

Schon das auf dem Booklet abgebildete Sammelsurium von Instrumenten (von der Melodica über 'Percussionsklimbim' bis zur 'Lumpete') macht neugierig, was für einen Sound das Duo daraus herzustellen vermag.

Lucie Mackert (Schauspielerin und Liedermacherin) ist für Gesang, Gitarre und diverse andere instrumentale Kuriositäten zuständig, Peter Fischer (Liedermacher und Kabarettist) singt und spielt Klavier. Beide verschmelzen zur Miniband Mackefisch und bieten einen spritzig swingenden Cocktail, der musikalisch harmoniert und auch sprachlich einiges wagt, denn die beiden wagen sich aus der oft strapazierten Weltschmerz- und Klimakatastrofen-Attitüde heraus.

Diese 13 Songs machen neben aller notwendigen Gesellschaftskritik auch Spaß, wenn es um den oft beschworenen 'Tanz auf dem Vulkan' geht:„Sagst du: Tanz mit mir in den Untergang! Und an dir ist so viel Glitzer dran. Und die Geigen zupfen den Größenwahn, weil man sich dazu so schön entblößen kann. Also tanz ich mit dir eine Runde und die Welt geht vor die Hunde“ heißt es im fröhlichen Drei-Viertel-Takt-Eröffnungsong 'Der Größenwalzer'. Der heitere Grundton der Lieder wird durch durchaus politische Texte konterkariert oder ironisch gebrochen: So geht es in 'Pure Ironie' um seltsame wie widersprüchliche Karrieren, in 'Brot' um die eigene Künstlerexistenz, die aufs Korn genommen wird. Zwischendurch steht wie in 'Rakete' auch verspielter Nonsens im 40er- Jahre Swingstil auf dem Programm:“Ich vergrabe die Rakete in Gänseleberpastete. Weil ich beides nicht mehr will, und dann ist es endlich still.“

Das Duo Mackefisch swingt locker durch dieses Album und verleiht den Untiefen und Absurditäten des Alltags wirklich ein wenig Glitzer.

Mehr Informationen: www.mackefisch.de

FEB 2020  Michael Lohse, Köln

André Heller - Spätes Leuchten

Kann man diesen Mann noch ernst nehmen, der sich 1984 ein für alle Mal von seiner Schallplattenkarriere verabschiedet hatte? Im Vorwort zu seiner „Kritischen Gesamtausgabe“ genannten retrospektiven CD-Box bemerkte er dazu 1991 unbescheiden: „Ich wusste, dass ich im deutschen Sprachraum konkurrenzlos war und meine Zeit besser für Abenteuer nutzen sollte, von denen ich Wesentliches lernen würde.“ Und so kehrte er dem Plattenstudio den Rücken zu, wie er sich zuvor schon von der Bühne verabschiedet hatte. Und er hat sich tatsächlich drangehalten. Abgesehen von ein paar neuen Liedern, die er hier und da einem Sampler beifügte, seit bald 40 Jahren – nichts. 

Dafür hat er andere Herausforderungen gesucht – oder „Verwirklichungen“, wie er es gern nennt: einen Zirkus gegründet, Gärten angelegt, Feuerwerke inszeniert, Artistenshows initiiert, Kristallwelten geschaffen, Dokumentarfilme gemacht, Romane und Erzählungen geschrieben. Zuletzt das wunderbare „Buch vom Süden“, in dem er verschlüsselt die Phasen seines Werdens Revue passieren ließ und den exaltierten Innenwelten des André Heller sprachlich virtuos ein Denkmal setzte.

Als „großen Adieu-Sager“ hat sich Heller einmal bezeichnet. Er sei niemand, der sich an die Routine des „Immer weiter“ klammert, sondern lieber stets zu neuen Ufern aufbricht. Warum dann also jetzt der „Rückfall“ in eine alte Phase seines Lebens?

„Spätes Leuchten“ – ein Album mit sechzehn nagelneuen Songs. Das ist eine Sensation, mit der wohl kaum jemand gerechnet hat. Und genau das dürfte für Heller der Reiz gewesen sein: überraschend zu bleiben für sich und andere. Nicht still zu stehen, sondern im lebendigen Wandel begriffen zu sein.

„Was schert mich mein Geschwätz von gestern“, wird sich Heller frei nach Adenauer gedacht haben. Und das ist ein Glück. Denn André Heller klingt auf dem Album so, als wäre er nie weg gewesen: diese nah ins Mikro gehauchten poetischen Botschaften. Dieser brüchige Sprechgesang, der so leicht zu parodieren ist. Doch die Kabarettisten haben sich ausgetobt. Die Häme über den vermeintlich Arroganten, das Stirnrunzeln bei jeder Nennung von Hellers Namen sind passé. Geblieben sind Bewunderung und Dankbarkeit für eine Stimme, die – man darf das ruhig so pathetisch sagen in diesen Tagen – das bessere Österreich verkörpert. Viele jüngere österreichische Musiker und Liedermacher haben Heller längst für sich entdeckt und auch auf dem Album mitgewirkt, ob der „Nino aus Wien“ oder der in England lebende Robert Rotifer. Er hat „Spätes Leuchten“ produziert, das teils in Hellers Wiener Wohnung teils im Studio in London aufgenommen wurde. Dabei hat er dem Album all die Sorgfalt angedeihen lassen, die einem musikalischen Testament gebührt. Und nichts anderes sind die sechzehn Lieder: eine retrospektive Reise durch Hellers autobiografische Klangwelten, ein akustisches Museum seines so facettenreichen Lebens. Da mischen sich Orient und Okzident, Klezmer und Wiener Walzer. Da trifft Schubertlied auf Bob Dylan und Tom Waits.

Es beginnt mit dem genialen poetischen Selbstporträt „Alles in allem“, wo Heller die Zeilen singt: „Ja, wir fliegen hoch, und wir fallen tief, aber häufiger fallen wir hinauf, denn die Götterlieblinge sind verwöhnt und gewinnen viele Spiele.“

Ja, er hat viele Spiele gewonnen: der Götterliebling Heller. Auch „Spätes Leuchten“ darf von ihm als Sieg verbucht werden. Stets hat es der Charismatiker verstanden, die richtigen Leute um sich zu versammeln, um seine künstlerischen und musikalischen Ideen Wirklichkeit werden zu lassen. Früher war es vor allem Robert Opratko, der mit seinen Kompositionen und Orchester-Arrangements für den markanten Nostalgie-Sound vieler Produktionen verantwortlich zeichnete. Aber auch internationale Stars holte Heller sich ins Studio: ob Chaka Khan, Joe Henderson, Freddie Hubbard oder Astor Piazzolla.

Im aktuellen Fall halfen ihm unter anderem der Jazzpianist Martin Klein, der Trompeter Herbert Pixner, der Akkordeonspieler Walther Soyka und die persische Sängerin Golnar Shahyar.

Sie ist es auch, die mit ihren powervollen Koloraturen den zweiten Song veredelt: „Mutter sagt“. Heller verarbeitet darin den Tod der Mutter, die mit über 100 Jahren starb. Hysterisch bricht seine Stimme, wenn er erzählt, wie seine Mutter sich nach einem langen Leben auf die Begegnung mit dem Qui Qui – dem Wiener Tod – vorbereitet.

Der ganze Heller-Kosmos darf sich noch einmal entfalten auf „Spätes Leuchten“, diese bittersüße Mischung aus Ekstase und Melancholie. In einem Moment feiert er das Fest des Lebens, intoniert in großer, fröhlicher Runde die Hymne „Papirossi“. Im nächsten Augenblick packt Verstörung den Sohn eines Juden, tauchen aus den Tiefen die Gespenster der mörderischen NS-Zeit auf: „Häufig greift das Bleierne nach den Wiener Judenkindern“.

Heller erweist Schlüsselerlebnissen seines Lebens die Referenz: Das können Künstler sein wie Elvis in „Maybe it’s true“ oder Virginia Woolf in „My river“. Und das können Orte sein: seine Geburtsstadt Wien natürlich, der er in alter Hassliebe verbunden ist („Heldenplatz“), Italien, wo er lange ein Haus am Gardasee bewohnte („Venedig“), und seine aktuelle Wahlheimat Marokko („Marrakesch“). Auf dem Track riecht man förmlich die Garküchen vom Platz Djemaa El Fna, während die Trommeln dröhnen und die Stimme von Golnar Shahyar zaubert. Darüber rezitiert der Magier Heller seine autosuggestive Beschwörungsformel: „Ich bin in meinem Element in Marrakesch, in Marrakesch, in Marrakesch.“ Zwischen Marrakesch und Hohem Atlas hat er sich ein Haus gebaut und einen Park namens „Anima“ anlegen lassen, der übrigens besichtigt werden kann und auch schon zur Touristensensation geworden ist. Es scheint als sei der ewig Rastlose und Umtriebige dort endlich angekommen. Genauso gut möglich aber, dass auch das Orientabenteuer nur eine weitere Episode seiner Verwandlungen ist. Schön jedenfalls, dass Heller, dieser Prophet der leisen Töne, uns darbenden Jüngern in den kalten Städten des Nordens aus seinem südlichen Exil jetzt ein „spätes Leuchten“ der Klänge hat zukommen lassen…


Mehr Informationen:  www.andreheller.com

JAN 2020  Uwe Thorstensen, Halle/Saale

Pàkos: Engel (Rainer Maria Rilke - betönte Gedichte)


Bernd Pakosch ist mit seiner Musik nun schon über 15 Jahre unterwegs und tritt als Solist und im Rahmen verschiedener Projekte auf. Kein Unbekannter mehr dürfte er dabei vor allem Zuhörern im Raum Meißen, Dresden und Leipzig sein. War er bisher nur auf Youtube oder Sound Cloud zu hören, liegt nun seine erste eigene CD vor, von der er selbst sagt, dass er darüber sehr glücklich sei. Und in der Tat kann sich das Werk wirklich sehen lassen. 

Schaut man sich einmal die Texte im Booklet der CD an, die hier zur Auswahl kamen, so wird man sofort feststellen, dass es nicht ganz so einfach gewesen sein dürfte, hier und da die richtige Melodie auf das ein oder andere Gedicht zu finden. Pàkos ist hier aber eine großartige Umsetzung in der Vertonung gelungen. Denn bereits das erste Stück  „Wilkommen - Abend“ macht Lust, sich der CD mehr zu widmen und einfach weiter und tiefer hinein zu hören. Sehr angenehm fällt hierbei auf, dass die untermalenden musikalischen Mittel sehr behutsam zum Einsatz kommen. Die Stimme steht im Vordergrund, was sie auch soll und was man von so mancher heute produzierten Scheibe leider nicht sagen kann. Die erklingenden Instrumente greifen filigran ineinander und sind gut aufeinander abgestimmt. Gut erleben lässt sich dies gerade bei den Stücken „Die Liebende“ oder „Empfange nun von manchem Zweig ein Winken“.

Rund herum kann man dem Schöpfer wohl nur zusprechen, dass ihm hier eine wirklich durchweg runde Produktion gelungen ist, die man Liebhabern vertonter Lyrik nur wärmstens ans Herz legen kann. So war es dann auch nicht verwunderlich, dass der Verfasser von dieser CD begeistert war.


Mehr Informationen:
www.facebook.com/pakoslieder

Die Top 20 der
deutschsprachigen
Liedermacher

Jeden Monat aktuell